Über "Reinheit mit Tradition"
Die Internetseite „Reinheit mit Tradition – Die besondere Erinnerung aus Colditz“ stellt eine künstlerische Intervention im öffentlichen, medialen Raum des Internets dar und ist kein Online-Shop.
Sie wurde konzipiert und realisiert von Luise Marbach und ist im Herbst 2012 im Rahmen des Kunstprojekts
„Die Zukunft des Vergangenen“ des Kulturbahnhof e.V. aus Markkleeberg entstanden.
Der fingierte Online-Shop vermarktet in Colditz produzierte Waschsets, bestehend aus Krug, Schüssel und Seifenschale. Die angekaufte, antike Steingutware wird in einem zweiten Schritt mit Ornamenten, generiert aus abstrahierten Panzerfäusten, bedruckt, neu gestaltet und ästhetisch aufgewertet.
An der Oberfläche erscheint der Online-Shop authentisch, bei näherer Betrachtung erweist er sich jedoch als Fake. Auf der eigentlichen Internetseite dahinter werden in verschiedenen Rubriken Informationen zum Außenlager des KZ Buchenwald, das von der HASAG auf dem Gelände der Steingut AG betrieben wurde, und über die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen für die Steingutherrstellung bereitgestellt, aber auch zur Geschichte der Stadt Colditz während des Nationalsozialismus sowie zu gegenwärtigen neofaschistischen Tendenzen vor Ort. Ausgangspunkt der Arbeit ist die Verstrickung von HASAG und Steingut AG, anhand derer die weitreichenden Verzahnungen von NS-Rassenideologie, Politik und Rüstungsindustrie mit dem zivilen Umfeld deutlich gemacht werden können.
Sowohl auf der textlichen als auch auf der visuellen Ebene operiert die Arbeit mit einer inhaltlichen und formalen Doppeldeutigkeit, die auf den nur unzureichenden Umgang mit den Geschehnissen vor Ort, auf „die in Unschuld gewaschenen Hände“, anspielt. Gleichzeitig bilden die lange Geschichte der Porzellan- und Steingutherstellung, die Mulde und der Colditzer Wald wichtige Bezugspunkte zur eigenen, identitären Selbstbeschreibung der Stadt Colditz.
Die Arbeit macht sich so ein bekanntes, tradiertes Zeichensystem zu eigen, um es mit Hilfe der Techniken der Imitation, der Tarnung und der Umdeutung mit abweichenden Inhalten zu befüllen und in einen neuen Kontext zu stellen. Dabei werden Erwartungshaltungen und klassische Methoden des Marketing genutzt – für einen eigenen, entgegengesetzten Zweck. Durch die daraus entstehende Irritation und Unklarheit wird eine neue Lesart für gewohnte Bilder und Zeichen ermöglicht. „Reinheit mit Tradition“ verfolgt das Ziel, Strukturen der Macht (im Sinne der vorherrschenden Geschichtserzählung) sichtbar zu machen – und sichtbar werden sie dort, wo das reibungslose Funktionieren der Zeichensysteme und Interpretationsmechanismen ins Stocken gerät.
Das Lager in Colditz ist nur eines von den Hunderten „kleinen“ KZ, die es auf dem Gebiet des sogenannten „Dritten Reiches“ gab. Die damalige, allgegenwärtige Anwesenheit der Lager und ihrer Insassen ist heute oftmals in ihr Gegenteil, in eine Abwesenheit des Umgangs mit der eigenen Geschichte verkehrt. Auch in Colditz und in anderen Orten, in die sich die Geschichte der Zwangsarbeit durch die HASAG eingeschrieben hat, finden sich heute vor allem Leerstellen und offene Fragen statt einer lebendigen Erinnerungskultur. „Reinheit mit Tradition“ versteht sich daher als eine virtuelle Form des Gedenkens an die Opfer der Verbrechen des NS-Regimes in Colditz und als einen Beitrag zum erinnerungspolitischen Diskurs.
Luise Marbach, 2012
Sie wurde konzipiert und realisiert von Luise Marbach und ist im Herbst 2012 im Rahmen des Kunstprojekts
„Die Zukunft des Vergangenen“ des Kulturbahnhof e.V. aus Markkleeberg entstanden.
Der fingierte Online-Shop vermarktet in Colditz produzierte Waschsets, bestehend aus Krug, Schüssel und Seifenschale. Die angekaufte, antike Steingutware wird in einem zweiten Schritt mit Ornamenten, generiert aus abstrahierten Panzerfäusten, bedruckt, neu gestaltet und ästhetisch aufgewertet.
An der Oberfläche erscheint der Online-Shop authentisch, bei näherer Betrachtung erweist er sich jedoch als Fake. Auf der eigentlichen Internetseite dahinter werden in verschiedenen Rubriken Informationen zum Außenlager des KZ Buchenwald, das von der HASAG auf dem Gelände der Steingut AG betrieben wurde, und über die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen für die Steingutherrstellung bereitgestellt, aber auch zur Geschichte der Stadt Colditz während des Nationalsozialismus sowie zu gegenwärtigen neofaschistischen Tendenzen vor Ort. Ausgangspunkt der Arbeit ist die Verstrickung von HASAG und Steingut AG, anhand derer die weitreichenden Verzahnungen von NS-Rassenideologie, Politik und Rüstungsindustrie mit dem zivilen Umfeld deutlich gemacht werden können.
Sowohl auf der textlichen als auch auf der visuellen Ebene operiert die Arbeit mit einer inhaltlichen und formalen Doppeldeutigkeit, die auf den nur unzureichenden Umgang mit den Geschehnissen vor Ort, auf „die in Unschuld gewaschenen Hände“, anspielt. Gleichzeitig bilden die lange Geschichte der Porzellan- und Steingutherstellung, die Mulde und der Colditzer Wald wichtige Bezugspunkte zur eigenen, identitären Selbstbeschreibung der Stadt Colditz.
Die Arbeit macht sich so ein bekanntes, tradiertes Zeichensystem zu eigen, um es mit Hilfe der Techniken der Imitation, der Tarnung und der Umdeutung mit abweichenden Inhalten zu befüllen und in einen neuen Kontext zu stellen. Dabei werden Erwartungshaltungen und klassische Methoden des Marketing genutzt – für einen eigenen, entgegengesetzten Zweck. Durch die daraus entstehende Irritation und Unklarheit wird eine neue Lesart für gewohnte Bilder und Zeichen ermöglicht. „Reinheit mit Tradition“ verfolgt das Ziel, Strukturen der Macht (im Sinne der vorherrschenden Geschichtserzählung) sichtbar zu machen – und sichtbar werden sie dort, wo das reibungslose Funktionieren der Zeichensysteme und Interpretationsmechanismen ins Stocken gerät.
Das Lager in Colditz ist nur eines von den Hunderten „kleinen“ KZ, die es auf dem Gebiet des sogenannten „Dritten Reiches“ gab. Die damalige, allgegenwärtige Anwesenheit der Lager und ihrer Insassen ist heute oftmals in ihr Gegenteil, in eine Abwesenheit des Umgangs mit der eigenen Geschichte verkehrt. Auch in Colditz und in anderen Orten, in die sich die Geschichte der Zwangsarbeit durch die HASAG eingeschrieben hat, finden sich heute vor allem Leerstellen und offene Fragen statt einer lebendigen Erinnerungskultur. „Reinheit mit Tradition“ versteht sich daher als eine virtuelle Form des Gedenkens an die Opfer der Verbrechen des NS-Regimes in Colditz und als einen Beitrag zum erinnerungspolitischen Diskurs.
Luise Marbach, 2012